Leseprobe 2
Nur eine halbe Stunde später sitzt die neue Vorstandsvorsitzende des Verlages Anna-Maria Brentano gegenüber. Sie hört die Geschichte. „Ich mag das nicht glauben“, meint Sophie Marder. „Warum sollte Herr Jablonski mit der Konkurrenz zusammenarbeiten? Ich halte ihn für einen solidarischen Mitarbeiter. Nach meinen Beobachtungen liegt ihm unser Verlag sehr am Herzen.“ „Das habe ich bis jetzt auch geglaubt“, erwidert Anna-Maria. „Ich habe auch bisher keinen Grund ausmachen können, weshalb Herr Jablonski uns hintergehen sollte.“ „Niemand kann in den Kopf eines anderen blicken“, räumt Sophie ein. „Und manche Menschen ändern Haltung und Meinung innerhalb kurzer Zeit. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Aber Herr Witte hat das scheinbar sehr einleuchtend vorgetragen. Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, Frau Brentano, aber wenn Sie nichts dagegen hätten, werde ich mich der Angelegenheit annehmen.“ Anna-Maria sieht Sophie Marder fragend an. „Wie soll ich das verstehen?“ „Ich werde mich dem Chefredakteur ein wenig annähern und versuchen herauszubekommen, ob an dieser Beschuldigung etwas dran ist.“ „Weiter …“, fordert Anna-Maria. „Na ja, ich werde versuchen, Herrn Jablonski auf eine private Schiene zu bringen, ich gehe mit ihm aus.“ „Versuchen Sie es, Frau Dr. Marder“, willigt Anna-Maria ein.
„Informieren Sie mich bitte sofort, wenn Sie etwas Genaues herausbekommen haben. Ich werde bis dahin nichts in dieser Angelegenheit unternehmen.“ Nachdem Sophie Marder gegangen ist, geht Anna-Maria zum Fenster und blickt hinaus auf die Hildesheimer Straße. Es regnet an diesem Oktobertag. Sie muss schlucken. Dann rollen Tränen.